Im April 2003 überraschte mich meine Frau mit der Ankündigung, das sie ihren Motorradführerschein machen wolle.
Ich fing also an nach einem geeignetem Motorrad für sie zu suchen. Bei der Suche hatte ich relativ freie Hand, zwei Dinge waren allerdings unbedingt erforderlich: Ein Elektrostarter (Sie hatte mich wohl schon zu häufig an der BK verzweifeln sehen) und Blinker sollte Ihr Motorrad haben. Zuerst suchte ich nach kleinen BMW's R45, R65 und R80's. Aber die meisten Angebote in dieser Richtung waren entweder zu teuer oder von Alltagstauglichkeit Galaxien entfernt.
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Im Juni fiel mir eine Anzeige für eine Chang Jiang 750 mit Seitenwagen im Internet auf. Die Maschine gefiel mir auf Anhieb, und das beste war, sie hatte Blinker und einen E-Starter! Das Sie auch noch wie ein Oldtimer aussah gefiel mir natürlich ganz besonders. Auch das die Maschine in Hamburg zum Verkauf stand war praktisch. Als ich meiner Frau von meiner, ich meine natürlich Ihrer neuen Maschine erzählte und ihr die Anzeige zeigte, bin ich glaube ich jedenfalls nur knapp der Einlieferung in eine geschlossene Anstalt entgangen. Wie auf aller Welt soll ich so ein schweres Teil denn handhaben ? War Ihre berechtigte Frage. Ich erzählte ihr von der tiefen Sitzposition und dem tiefen Schwerpunkt, und das sie damit besser zurecht käme als mit meiner RT, die Sie schon mehrmals ohne große Probleme gefahren war. Wir einigten uns darauf die Maschine uns wenigstens einmal anzusehen. Nach ein wenig hin und her kaufte meine Frau dann tatsächlich das Gespann. Ich weiß das es eine Schnapsidee war die Maschine auf deren eigenen zwei Rädern zu uns nach hause zu bringen, aber ich wollte unbedingt mit der Maschine fahren (allerdings als Solomaschine, den Beiwagen haben wir später mit einem Anhänger aus einem Lagerhaus abgeholt).
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Also an einem Freitag abend hat mich meine Frau bei der Maschine abgesetzt und ich habe versucht damit nach hause zu fahren.
Die Chang sprang nach wenigen Tritten an, und blubberte herrlich ruhig im Standgas vor sich hin. Aber ich kam nicht so richtig vom Fleck, viel mehr als das schöne Standgas war irgendwie nicht drin. Also bin ich erst mal auf die nächste Tabkstelle und habe vollgetankt. Nach ca. 10min als professionelles Verkehrshindernis hatte ich die Nase voll und habe die nächste Parkbucht angefahren. Also erst mal die Kerzen raus. Rechts verdammt heiß und fast weißer Isolator. Links kalt, naß und kohlrabenschwarz. Also kein Zündfunke auf der linken Seite. Kein Wunder, denn das Zündkabel war aus der Zündspule gerutscht. Zündkabel wieder reingefummelt, aber mit der nassen Kerze war nichts mehr anzufangen. Da ich aber keinen Ersatz hatte war eine andere Lösung erforderlich. Ich habe dann einfach die nasse Kerze für ein paar Minuten in den rechten heissen Zylinder geschraubt und so 'getrocknet'. Mit zwei trockenen Kerzen und intakter Zümdverkabelung waren dann auch die sagenhaften 28PS aus den 750 ccm zu spüren.
Die Freude währte allerdings nicht besonders lange, drei Ampeln später ging der Motor einfach komplett aus. Zum zweiten mal suchte ich ein ruhiges Plätzchen auf einem Parkstreifen und ging auf Fehlersuche. Zu meinem Erstaunen kam trotz vollem Tank an den Vergasern kein Sprit an. Na ja, vielleicht hat ein wenig Dreck aus dem Tank den Benzinhahn verstopft. Ich öffnete den Tankdeckel und versuchte irgendwelche Rückstände auf dem Tankboden zu erspähen, konnte aber nichts finden. Ich drehte nochmal am Benzinhahn, und siehe da der Sprit lief wieder. Vergaser fluten, einmal kicken und schon lief der Motor wieder wie es sich gehöhrt. Leider kam ich nur ca. 600m weit, dann war wieder Schluß. Wieder zog ich den Benzinschlauch vom Vergaser ab, und es kam nichts. Ein wenig wütend pustete ich in den Schlauch... pfui deibel Benzin schmeckt wirklich nicht...Nach einem kräftigem Puster kam ich sogar bis nach Hause ohne weitere unplanmäßige Stops.
Hier fand ich dann relativ schnell den Übertäter: Der Brandneue Tankdeckel den mir der Verkäufer kurz vor der Abfahrt noch gegeben hatte, hatte leider nur nach außen Belüftungsbohrungen. Im Innendeckel waren sie leider vergessen worden. Glaubt mir, diesen Fehler werde ich so schnell nicht vergessen.
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Im Laufe der nächsten Tage habe ich sehr schnell heraus gefunden, das Verarbeitung der Maschine nicht so ganz den BMW Standards von 1938 entsprach.
Ich entschloß mich die Maschine erst mal ein bischen aufzuarbeiten, bevor sie angemeldet wird. Die schwierigste Aufgabe war den Bremsen eine halbwegs vernünftige Verzögerung zu entlocken. Die Verkabelung war ein komplettes Chaos. Das ist aber nicht dem chinesischem Hersteller anzulasten sondern einer deutschen BMW Werkstatt, die hier wirklich Murks gebaut hat. Der Mechaniker kann nur hoffen, das ich ihn nie in die Finger kriege...
Da ich die Zylinder zum Entgraten und zu Lackieren abbaute, stellte ich fest, das die Auslaßventile ersetzt werden mußten, und frei nach dem Motto, wenn du etwas machst, mach es richtig, habe ich gleich alle vier Ventile tauschen, die Sitze neu eingeschleifen und die Führungen ausbuchsen lassen. Auch die Kolbenringe wurden bei dieser Gelegenheit erneuert. Bei der Reinigung der Vergaser stellte sich heraus, das sie sich hervoragend polieren lassen. Die dünnen Pappdichtungen zum Zylinder habe ich gegen dickerer Teflondichtungen der besseren Wärmeentkopplung wegen getauscht.
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Die weiteren Veränderungen waren mehr kosmetischer natur. Ich fand die Form des vorderen Schutzbleches nicht wirklich ansprechend. Also habe ich es kurzerhand ein wenig abgerundet. Auch ein Nummernschild für das vordere Schutzblech inklusive der Halter habe ich angefertigt. Der Deutsche TÜV hat da nicht einmal etwas dagegen, sofern man die Kanten mit einem Kantenschutz aus Kunststoff versieht. Zwei kleine Munitionskisten wurden umlackiert und seitlich an die Gepäckbrücke geschraubt. Eine goldene Linierung rundete das neue 'Design' ab.
Die Maschine wurde angemeldet und lief einfach klasse. Bis nach ca. 200 km links ein Kolbenklemmer auftrat. Leider hat der Kolben hatte einfach zu wenig Öl bekommen. Der linke Zylinder hat nämlich eine spezielle Öl-Bohrung im Zylinderfußflansch. Ich habe beim Zusammenbau zwar sehr darauf geachtet, das ich mit meiner Silikondichtmasse die ich zusätzlich zur Pappdichtung verwende nicht diese Bohrung verstopfe, das aber das Loch in der Dichtung fast 3-4mm versetzt ist, damit hatte ich nicht gerechnet. Der Zylinder hats überlebt, der Kolben leider nicht...
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Seitdem läuft der Motor aber ohne Probleme. Ich muß allerdings ab und zu hier und da etwas einstellen, nachziehen und ausprobieren. Aber irgendeine Ausrede muß ich ja haben um die vielen Probefahrten meiner Frau zu erklären, die ja auch mal mit Ihrer Maschine fahren möchte...
Seit Oktober 2004 haben wir den Seitenwagen wieder angebaut. Ich brauchte doch eine ganze Weile, um mich an diese Kiste da an der Maschine zu gewöhnen, aber jetzt hat mich der Gespannvirus gepackt. Auch meine Frau hat es letztens mal mit drei Rädern probiert, Ihr Kommentar: Ist ganz schön Anstrengend, aber macht doch richtig Spaß!
2005 habe ich einen Großeinkauf an Teilen direkt in China gestartet. Die Firma von Gerald, Long River Motors in Peking, hat mir viele original chinesische Ersatzteile geliefert. Sehr zu meiner Überraschung gibt es unter den in China produzierten Teilen sehr große Unterschiede!
Alle Teile von LRM waren von sehr guter Qualität und ließen sich ohne große Probleme und Nachbearbeiten montieren. Mit dabei waren auch ein Satz von Zentralschwimmervergasern (ähnlich Mikuni). Mit diesen Vergaser läuft der Motor wesentlich runder und drehfreudiger. Er hängt wirklich sehr gut am Gas und auch die Temperatur der Zylinder bei längerer Fahrt so um 75-80 Km/h hält sich in akzeptablen Grenzen. Das Warmstart verhalten der Chang ist dadurch aber einfach super, den Kickstarter scharf angesehen, und schon tuckert der Motor fröhlich vor sich hin.
So, das Wetter ist schön, und ich glaube ich muß da noch mal was Einstellen....
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